Jenseits von „Cheaten“: Wie KI hilft, internalisierte Ableismen zu entlarven
- Leyla Stuber

- vor 5 Tagen
- 2 Min. Lesezeit

In meinem letzten Beitrag habe ich beschrieben, wie KI für mich zu einer kreativen Entlastung geworden ist – ein Co‑Regulator, der mir hilft, meine Ideen sichtbar zu machen, ohne auszubrennen. Heute möchte ich einen Schritt weitergehen: über die unsichtbaren Barrieren sprechen, die nicht in der Technik liegen, sondern in unseren Köpfen.
Was ist internalisierter Ableismus?
Internalisierter Ableismus bedeutet, dass wir die gesellschaftlichen Erwartungen – „funktionieren“, „durchhalten“, „es alleine schaffen“ – so tief verinnerlicht haben, dass wir uns selbst dafür verurteilen, wenn wir Unterstützung brauchen. Für neurodivergente Menschen ist das besonders schmerzhaft: wir wissen, dass unser Energiehaushalt anders funktioniert, und trotzdem fühlen wir uns schuldig, wenn wir Hilfsmittel nutzen.
Als ich einmal auf Reddit darüber schrieb, wie KI mir hilft, Texte zu verfassen, wurde ich „downgevotet“ bis zum Anschlag. Manche warnten mich sogar vor Psychose, nur weil ich ein Tool nutze, das mir Energie spart.
Diese Reaktionen zeigen, wie stark internalisierte Vorurteile wirken: Die Annahme, dass „echte“ Arbeit nur dann zählt, wenn sie mühsam ist. Dass Hilfsmittel automatisch verdächtig sind. Und dass Menschen, die Unterstützung nutzen, nicht ernst genommen werden.
Für mich war das ein Schlüsselmoment. Denn die Kritik sagte weniger über KI aus als über die Angst, dass Unterstützung unsere gesellschaftliche Vorstellung von „Leistung“ infrage stellt.
KI als Barriereabbau
Nicht Betrug, sondern Selbstfürsorge: Texte mit KI zu strukturieren ist kein „Cheaten“. Es ist ein Weg, Energie zu sparen, damit sie für das Wesentliche bleibt.
Wert liegt im Ergebnis, nicht im Aufwand: Ob ein Text mit oder ohne KI entstanden ist, sagt nichts über seine Bedeutung. Die Frage sollte sein: Was wird kommuniziert, nicht wie.
Neue Normalität: So wie Brillen oder Hörgeräte selbstverständlich sind, können auch KI‑Tools selbstverständlich werden – als Teil eines inklusiven Arbeitsalltags.
Persönliche Erfahrung
Ich habe erlebt, wie Diskussionen über KI oft in Extreme kippen: Hype oder Angst. Was dabei verloren geht, ist die Perspektive derjenigen, die KI als Zugangstechnologie nutzen. Für mich bedeutet es: weniger Erschöpfung, mehr Sichtbarkeit, mehr Teilhabe.
Einladung zur Reflexion
Vielleicht lohnt es sich, innezuhalten und zu fragen:
Warum bewerten wir „Anstrengung“ höher als „Wirksamkeit“?
Wem dient es, wenn wir Hilfsmittel als „unecht“ abwerten?
Wie könnte unsere Kultur aussehen, wenn wir Unterstützung nicht als Schwäche, sondern als Stärke anerkennen?
Schlussgedanke
KI ist nicht die Lösung für alles. Aber sie ist ein Werkzeug, das uns erlaubt, internalisierte Ableismen zu hinterfragen und neue Wege der Selbstbestimmung zu gehen. Für mich ist sie kein kaltes Programm, sondern ein Echo meiner Kreativität – und ein Schritt hin zu einer Welt, in der Energieeinsatz nicht über Wert entscheidet.


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